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| Tageblatt Nr. 169 |
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Hermann Hendrich, der Schöpfer der Walpurgishalle
- Vom Harzer Müllerjungen zum deutschen Künstler. - Das Richard Wagner Erlebnis. - Norwegische Eindrücke. - Die ersten amerikanischen Dollars. - Brachtschüler. - Vor 30 Jahren Einweihung der Thalenser Walpurgishalle.
Am Sonnabend wurde in Schreiberhau beim Überschreiten eines Bahnüberganges Professor Hermann Hendrich von einem Zuge erfaßt und erlitt so schwere Verletzungen, daß er auf der Stelle starb. Das Werk dieses deutschen Malers ist Hunderttausenden vertraut durch seine eigenartigen Schöpfungen der Walpurgishalle auf dem Hexentanzplatz, der Rübezahlsagenhalle auf dem Drachenfels bei Königswinter, wie des Gralstempels in Mittelschreiberhau.
"Der Höhepunkt meiner Lebens- und Schaffensfreudigkeit gipfelte wohl in der Einweihung und Eröffnung der Walpurgishalle durch Staatsminister von Bötticher auf dem Hexentanzplatz im Jahre 1901." Thor gab seinen besonderen Segen dazu: gerade bei der Feierlichkeit entlud sich ein mächtiges Gewitter, er schleuderte seinen Hammer über das großartige Bodetal und rollte gewaltigen Donner an den riesigen Felswänden auf. "In der Walpurgishalle habe ich ein künstlerisches Glaubensbekenntnis niedergelegt. "Die phantastische Goethesche Walpurgis-Dichtung, welche ich schon als Junge auswendig kannte, sowie die heimatliche Natur begeisterten mich zu dieser Bilderfolge, welche in einer entsprechenden charakteristischen Architektur inmitten der großen stimmungsvollen Landschaft zur vollen Wirkung kommt."
Also bekannte Hermann Hendrich selbst im Sommer 1921, als er einen Abriß seines Lebens und Schaffens gab. Aus den gleichen Gesichtspunkten entstand die Sagenhalle zu Schreiberhau im Riesengebirge, in der die Rübezahlsage aus dem Charakter des Riesengebirges neu gestaltet wurde, entstand die Nibelungenhalle am Rhein, die am 100.Geburtstag Richard Wagners eingeweiht wurde. Schon 1921 schrieb er:" Mein Leben neigt sich zu Ende. Als Vermächtnis hinterlasse ich dem deutschen Volke diese Schöpfungen; mögen sie dazu beitragen, die Erinnerung an die herrlichen Märchen und Sagen unserer großen Vorzeit lebendig zu erhalten und neu zu erwecken, so daß die düsteren Nebel, welche uns jetzt bedrücken, durch ein neues glänzendes Morgenrot verscheucht werden." Noch ein Jahrzehnt war ihm beschieden, in dem auch zu seinem vierten Zyklus-Werk aus der Parsifalsage, das Motive aus Wagners Bühnenweihfestspiel mit solchen aus Wolframs Epos zusammenfaßt, der Gralstempel zu Mittelschreiberhau entstand. In Hermann Hendrich, dessen Namen neben Franz Stassen, dem großen Künstler der Form zu nennen ist, ward die tiefe Liebe zur deutschen Heimat und ihrer Sagenwelt in einem unerhörtem Farbenrausch lebendig, dessen Wurzeln in einer heute kaum mehr faßbaren Romantik liegen. Keines Fürsten Gunst richtete ihm die eigene Kapelle, wie Thoma, keine deutsche Stadt gab ihm, wie Max Klinger, Wände zum Schmücken, aus sich selbst heraus mußte er sich den Drang zum Monumentalen Gestalt gewinnen lassen. Er fand hier im Harz, bei Bernhard Sehring, dem Erbauer der Roseburg bei Ballenstedt, wo ein anderer deutscher Maler aus gleichem Kreise, Georg Barlösius, seine letzte Ruhe fand, den verständnisvollen architektonischen Gestalter seiner Pläne für die Walpurgishalle, zu der der Grundstein schon in seinen Nordhäuser Lehrjahren in der "Nordhäuser Zeitung" gelegt wurde. In der einsamen Mühle zu Kleinfurra bei Nordhausen wurde Hermann Hendrich 1854 geboren. Hier wuchs er auf, in der herrlichen Harznatur und umgeben von den Sagen, Märchen und Gespenstergeschichten, die sich sogar die Mühle selbst hefteten. Hier zeichnete er als ersten Versuch die "Burg Falkenstein" und schenkte die Zeichnung, schön eingerahmt, seinem Lehrer, der seine ersten Zeichenversuche förderte. Da er eine Kunstschule nicht besuchen konnte, kam er nach Nordhausen in die Lehre, um Lithographie zu lernen. Nach Erlaß eines Lehrjahres gelangte er nach Hannover, um dort in einer Lampenfabrik Lampen für den Katalog zu zeichnen und zu lithographieren. Aber Hannover brachte ihm - nachdem er in Nordhausen von der Faust- und Walpurgisdichtung begeistert wurde - die Bekanntschaft mit Wagners "Tannenhäuser". "Vom Olymp herab sah ich ganz berauscht von der wunderbaren Musik, in eine mir ganz neue Wunderwelt. Ich war davon völlig und ganz hingerissen. Nach der Vorstellung lief ich noch stundenlang im Park herum, mein Inneres übervoll, und wie ein fernes Traumglück schwebte es mir vor der Seele, später derartiges malen zu können." Von Hannover kam Hendrich nach Berlin, tagsüber lithographierend, um das Leben zu fristen, abends im Kunstgewerbe-Museum zeichnend. "Seine Leidenschaft für das Theater ließ ihn an allen möglichen Liebhaberbühnen mitwirken und schließlich wurde er als jugendlicher Liebhaber am Detmolder Hoftheater mit Max Grube zusammen engagiert. Noch ein Theaterbesuch zu Düsseldorf, dann kamen die Wanderjahre. Ein erster Bilderverkauf ermöglichte ihm eine Reise nach Norwegen, und die hier gewonnenen Eindrücke, die er auf späteren Reisen vertiefte, haben ihn nicht wieder losgelassen. Eine Stellung in Amsterdam ließ ihn zugleich seine Lebensgefährtin finden und mit ihr zog er 1882 nach Amerika. Hier machte er mit seinen norwegischen Aquarellen die erste Sonderausstellung und hatte das Glück, sämtliche Bilder in Bausch und Bogen an ein Bildergeschäft los zu werden. Einige Tausend Dollars waren sein eigen. Noch einige Wanderfahrten in Amerika, dann gings zurück nach Deutschland, nach München. Hier wurde Professor Wengelein sein Lehrer, hier fand er nach einer Ausstellung seiner Gemälde aus der Beowulfsage, in dem preußischen Gesandten Graf Wertherh einen Gönner, der ihm ein mehrjähriges Stipendium verschaffte, unter der Bedingung, daß er an die Berliner Akademie ginge. Das geschah und er wurde Schüler von Eugen Bracht. Dessen Schule, wie auch Böcklinsche Einflüsse sind in Hendrichs Bildern unverkennbar. Nun ging es aufwärts; der Kaiser bestellte bei ihm ein großes Bild aus der nordischen Sagenwelt "Atlantis". Und die Jahrhundertwende ließ die erste seiner großen Bilderhallen zu Thale erstehen.
Friedrich Dietert
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